Das 1974 gefundene Skelett von Lucy belegt, dass die Geschichte der Menschheit in Äthiopien beginnt.
Die mehr als zweitausendjährige Geschichte Äthiopiens reicht bis in die Antike zurück. So bildeten in der Antike und im Mittelalter das Reich von Axum sowie das Kaiserreich Abessinien mächtige Dynastien.
Äthiopien war der einzige afrikanische Staat, der nie einer europäischen Kolonialmacht angehörte. Nach dem Zweiten Weltkrieg modernisierte der legendäre Kaiser Haile Selassie das zuvor vom faschistischen Italien besetzte Land und führte Äthiopien in die Unabhängigkeit. Der sozialistische Militärputsch von 1974 läutete eine der repressivsten Diktaturen Afrikas ein, die 1991 durch einen Bürgerkrieg niedergeschlagen wurde. Politische und wirtschaftliche Reformen führten Äthiopien in eine Republik mit 14 Regionen.
Vorgeschichte
Vor ca. 3,5 Millionen Jahren war das Land bereits besiedelt. In Äthiopien wurden Überreste von diesen Vor-Menschen (Australopithecus afarensis) in der Afar-Senke gefunden, die die Weiterentwicklung des Affen zum Menschen dokumentieren.
Das Land der Antike
Äthiopien gehört zu den ältesten Staaten der Welt und ist das einzigste durchgehend unabhängige Land Afrikas, das gegenwärtig noch besteht. Der heutige Landesname stammt von einer antiken griechischen Regionenbezeichnung, die einst neben Abessinien die historischen Regionen Nubien, Sudan sowie Teile Libyens umfasste: „Αιθιοπία“, von αίθαλο/aíthalo, „das sonnengebräunte“ und οψ/ops, „das Gesicht“.
In die Zeit der Antike gehört auch die Legende der Königin von Saba. Nach äthiopischer Überlieferung war es Menelik I, der Sohn der Königin von Saba und von König Salomon, der das äthiopische Reich gründete. Tatsächlich gründete der Stamm der Ḥbšt, die im 1. Jahrtausend v. Chr. aus Südarabien auswanderten, das äthiopische Reich. Dessen Hauptstadt, Axum, gewann bald die Vorherrschaft über Südarabien.
Reich von Axum
Axum und das axumitische Reich wurden erstmals von Claudius Ptolemäus im 2. Jahrhundert n. Chr. erwähnt. Damals kontrollierte Axum mit seinem Hafen Adulis den Zugang zum Roten Meer, was die Expansion nach Südarabien ermöglichte und florierende Handelsbeziehungen zu Indien, Arabien und den Mittelmeerländern hervorbrachte.
Im 3. Jahrhundert ließen die axumitischen Herrscher Münzen nach römischem Vorbild prägen. Unter König Enzana, der im 4. Jahrhundert zum Christentum übertrat, wurde der christliche Glauben zur Staatsreligion Äthiopiens. Damit stieg Axum zum religiösen Zentrum des Landes auf.
Im 7. Jahrhundert gewann zunehmend der Islam in dieser Region an Bedeutung, wodurch die äthiopischen Christen weitestgehend isoliert wurden. Auch die alten Handelswege wurden blockiert, was schließlich zum Niedergang des Reiches von Axum im 9. Jahrhundert führte. Durch die Isolation von der Außenwelt konnten trotzdem große Teile der axumitischen Kultur bewahrt werden.
Kaiserreich von Abessinien
Im 10. Jahrhundert wurde das axumitische Reich durch die Dynastie der ebenfalls christlichen Salomoniden, welche sich als direkte Nachkommen von König Salomon und der Königin von Saba ansahen, abgelöst. Es entstand das Kaiserreich von Amhara und Amharisch wurde zur offiziellen Landessprache erklärt.
Durch Kontakte zum europäischen Kontinent entstand unter Kaiser David I. ein reger Gedankenaustausch mit den italienischen Handelsstädten. 1493 traten die Portugiesen mit Äthiopien in Kontakt, um sowohl die Herrschaft im Indischen Ozean abzusichern als auch den katholischen Glauben zu verbreiten. Diese Bekehrungsversuche scheiterten jedoch kläglich. Dennoch konnte sich Äthiopien im 16. Jahrhundert mit portugiesischer Unterstützung gegen die über das Rote Meer kommenden Osmanen und damit das erneuten Vordringen des Islam behaupten.
In der Folgezeit zerfiel das äthiopische Kaiserreich allmählich in kleinere Fürstentümer. So bildeten sich die Teilkönigreiche Amhara, Tigray und Shewa heraus. Daraufhin sah sich Äthiopien ersten Konfrontationen mit europäischen Nationen im Zuge des Kolonialismus gegenüber.
Italienische Kolonialisierungsversuche 1887 bis 1941
Ende des 19. Jahrhunderts wurde Äthiopien ausgehend von Eritrea ein begehrtes Ziel der italienischen Kolonialmacht. Nach einigen gescheiterten Eroberungsversuchen konnten die italienischen Kolonialbestrebungen in der Schlacht von Adwa am 1. März 1896 trotz der klaren italienischen Überlegenheit endgültig abgewendet werden.
Im Vertrag von Addis Abeba gab Italien seine Kolonialisierungsziele auf und musste die Unabhängigkeit des äthiopischen Kaiserreiches akzeptieren. Allerdings wurde die Provinz Eritrea italienische Kolonie und die gesamten Küstenbereiche des äthiopischen Reiches gingen bis zum 20. Jahrhundert an Großbritannien, Frankreich und Italien verloren. Dennoch konnte Menelik II. einen freien Zugang für Äthiopien zum Hafen von Dschibuti aushandeln, nachdem das Gebiet der Republik Dschibuti zur französischen Kolonie erklärt worden war.
1930 kam Haile Selassie als 225. Kaiser Äthiopiens an die Macht. Er setzte die Abschaffung der Sklaverei durch und reformierte sein Land, insbesondere das Recht- und Bildungswesen. 1936 besetzten italienische Truppen erneut das Land, das während des Zweiten Weltkrieges durch die Briten von den italienischen Besatzern befreit wurde.
In der Zeit von 1952 bis 1974 wurde Äthiopien durch Dürreperioden, innenpolitische Krisen sowie Grenzkonflikte mit den Nachbarländern, vor allem mit dem Bundesstaat Eritrea, bzw. separatistischen Bewegungen in weiteren Regionen (Tigre), erschüttert. Addis Abeba wurde 1963 Sitz der OAU(Organization for African Unity), deren Ziel die Entkolonialisierung Afrikas ist.
Sozialistische Militärdiktatur 1974-1991
1974 eskalierten die innenpolitischen Unruhen letztendlich in einem Militärputsch. Als Folge wurde der Kaiser Haile Selassie gestürzt.
1975 wird die Monarchie abgeschafft, die Kirche enteignet, oppositionelle Kräfte verfolgt und inhaftiert. Das ehemalige Kaiserreich wird zur sozialistischen Volksrepublik. Unter dem neuen Vorsitzenden des Provisorischen Militärverwaltungsrates Mengistu Haile Mariam kam es 1977 zum offenen Krieg mit Somalia um die Provinz Ogaden. Mit Hilfe der Sowjetunion ging Äthiopien im darauffolgenden Jahr als Sieger hervor.
Ende der 70er Jahre stieg der Druck der Widerstandsgruppen in Eritrea und der Provinz Tigre. Hinzu kam 1983 eine der schlimmsten Hungerkatastrophen in Äthiopien, bei der bis zu eine Millionen Menschen als Folge von Bürgerkrieg und dürrebedingten Missernten verhungerten.
1987 wurde die Derg-Herrschaft in Äthiopien formal beendet und die neue Verfassung der Demokratischen Volksrepublik Äthiopien eingeführt. Mengistu Haile Mariam wurde in den Wahlen 1987 vom Parlament zum Präsidenten gewählt.
Demokratisierung ab 1991
1991 marschierten Truppen der Eritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF) und der Volksbefreiungsfront Tigre (TPLF) in Addis Abeba ein und brachten das kommunistische Mengistu-Regime zu Fall. Nach rund 30 Jahren endete der erbitterte Bürgerkrieg und 1993 erlangt Eritrea seine Unabhängigkeit.
Unter Meles Zenawi wird eine Übergangsregierung errichtet, die mit internationaler Hilfe versucht, das verwüstete Land wieder aufzubauen. Mit der neuen Verfassung von 1994 wurde das gesamte Staatssystem neu geordnet, demokratisiert und den Provinzen weitgehende Autonomien zuerkannt.
1998 führten Grenzstreitigkeiten und ökonomische Spannungen erneut zum Krieg um den genauen Grenzverlauf zwischen Äthiopien und Eritrea.
Bis Juli 2008 sorgten Soldaten der „United Nations Mission in Ethiopia and Eritrea“ (UNMEE) für einen unsicheren und fragilen Frieden, wobei eine unabhängige Grenzkommission die Unstimmigkeiten beiliegen sollte. Äthiopien weigerte sich, die umstrittene Region um Badme als Eritrea zugesprochenes Gebiet anzuerkennen. Trotz der langfristig demokratischen Öffnung bleibt Äthiopien bislang ein politisch instabiler Staat.
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